Gewaltfrei für gerechten Frieden
19. Nov 2025
Vom 14. bis 16.11.2025 führten die Kommissionen „Aktive Gewaltfreiheit“ und „Solidarität Eine Welt“ in Zusammenarbeit mit der Projektstelle „gewaltfrei wirkt“ von pax christi - Deutsche Sektion und pax christi Münster ein Seminar in Bonn durch zum Thema: „Gewaltfrei für gerechten Frieden“. 42 Personen nahmen daran teil. Leitfragen waren: Wie sieht Aktive Gewaltfreiheit aus, wenn Gewalt, bewaffnete Konflikte und Krieg in Unrechtssystemen ausgebrochen sind? Was heißt: „Für Gerechtigkeit aktiv gewaltfrei kämpfen“? Wie ist die Haltung der Ehrfurcht vor dem Leben durchzuhalten? Was ist zu bedenken beim Widerstand gegen Entmenschlichung durch Gewalt sowie gegen Beteiligung an allen Arten von Gewalt? Was bedeutet es konkret, Friedenstüchtigkeit in den Blick zu nehmen und uns für gerechten Frieden einzusetzen.
Christian Maier, Trainer bei „gewaltfrei handeln e.V.“ in Wethen, inspirierte zu einem Austausch über die je persönlichen Zugänge zu og. Fragen. Mit der Methode des „Privilege Walk“, bei der die Teilnehmenden einen Schritt nach vorne gehen, je nachdem, ob eine Aussage auf die von ihnen übernommene Rolle zutrifft, machten wir ungleiche gesellschaftliche Chancen, Privilegien und systemische Ungleichheiten sichtbar.
Prof. Wolfgang Palaver, Präsident von pax christi Österreich, emeritierter Sozialethiker und Theologe an der UNI-Innsbruck und seit März 2025 Sonderbeauftragter der OSZE im Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung arbeitete mit uns zu einer biblischen Vergewisserung bzgl. Aktiver Gewaltfreiheit. Zur Sprache kamen, warum der Begriff der Gewaltfreiheit effizienter und nachhaltiger sei als der des „Pazifismus“. Er erinnerte dann an Martin Luther King und dessen Aufstehen gegen alles, was ein „fauler Friede“ ist und daran, wie sehr jahrhundertelang die Bergpredigt Jesu als sog. Mönchsregel und als Anleitung zum Nichtwiderstand verkürzt und verfälscht worden sei. Sie ist im Kern nicht passive Hinnahme von Ungerechtigkeit, sondern ist aktiver Widerstand ohne Einstieg in eine Spirale der Gewalt. Um mit Gandhi zu sprechen: Sie steht für eine „militante Gewaltfreiheit und eine äußerst aktive Kraft, die keinen Platz kennt für Feigheit oder auch nur für Schwäche“. Ein gerechter Friede betont den Vorrang aktiver Gewaltfreiheit bei der Überwindung aller Gewaltursachen. Und aktive Gewaltfreiheit ist auszubilden „als Stil einer Politik für den Frieden“, so bestärkend durch Papst Franziskus zum Weltfriedenstag 2017.
Anhand von Kurzfilmen der indigenen Dokumentarfilmerin Eliseth Pena lernten wir ein Leben in bewaffneten Konflikten am Beispiel der indigenen Bewegung im Cauca im Südwesten Kolumbiens kennen. Filmisch erfahrbar wurden strukturelle Gewalt mit Rassismus und Rechtlosigkeit und Erfolge beim Kampf für Gerechtigkeit und Schutz der Lebensgrundlagen. In regem Austausch mit der Filmregisseurin und auch mit anwesenden deutschen Sozial- und Kirchenarbeiter:innen sowie Friedensaktivist:innen in Kolumbien hörten wir, wie weiterhin Bedrohungen und Morde den Alltag bestimmen und was Menschen in solchem Kontext die Kraft gibt, aktiv gewaltfrei zu handeln.
In einer letzten Einheit erläuterte Wolfgang Palaver seinen sozialethischen Zugang mit Verweis auf die unterschiedlichen Zerstörungspotentiale zwischenmenschlicher Gewalt (z.B. steht die sog. Weltuntergangsuhr erstmals derzeit auf 89 Sekunden vor 12). Mit Rekurs auf D. Bonhoeffer wies er auf unterschiedliche Aufgabenstellungen für Kirche und Staat hin und auf die Voraussetzung von Recht und kollektiver Sicherheit für einen gerechten Frieden angesichts unbegrenzter Zerstörungskraft durch atomare Bewaffnung und des Damoklesschwertes eines drohenden Atomkrieges. Aufgaben der Kirchen bei der Transformation von Gesellschaft und Politik sah er im „just policing“ (einem gerechten polizeilichen Handeln, vgl. den kath.-mennonitischen Dialog), im „peacebuilding“, in der Einübung von „sozialer Verteidigung“ als wachsendem Pfeiler nationaler Verteidigung sowie in der Verteidigung und Stärkung des „Multilateralismus“.
In den intensiven Gesprächen der Teilnehmenden wurde deutlich, dass und wie wir in einer düsteren Zeit leben, „in Zeiten eines 3. Weltkrieges in Stücken“, wie Papst Franziskus oft formuliert hat. Die „großen“ Lösungen liegen nicht in unseren Händen. Aber wir können und müssen schon heute ins Handeln kommen und haben den „nächsten Schritt“ hin zu einer gewaltfreieren Welt zu setzen. Es wurde immer wieder eine Haltung deutlich und bestärkt, die (gerade auch aus transzendenter Perspektive) zu einem „Einsatz in und für die Welt“ motiviert, auch wo es hoffnungslos zu sein scheint. Erinnert wurde an einen Ausspruch des Agnostikers Vaclav Havel, der wie Gandhi und Mandela viele Lebensjahre im Gefängnis verbringen musste. Für ihn galt: „Hoffnung ist nicht Optimismus, also die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass alles Engagement Sinn hat – egal, wie es ausgeht.“
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pax christi Deutsche Sektion
Diözesen
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Kommission Aktive Gewaltfreiheit
Auf Grundlage der pax christi-Vision „Aktive Gewaltfreiheit als Kern unseres politischen Handelns für eine gerechte Welt ohne Gewalt und Waffen“ wird das Themenfeld Aktive Gewaltfreiheit erforscht und weiterentwickelt
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Kommission Solidarität Eine Welt
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